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"Das Paradies ist anderswo" von
Mario Vargas Llosa, eine Roman-Doppelbiographie über den Maler
Paul Gauguin und seine Großmutter
Flora Tristan http://www.antjeschrupp.de/flora-tristan Darin wird immer abwechselnd von den beiden erzählt. Persönlich kennengelernt haben sie sich nicht. Tristan starb 1844, wenige Jahre vor Gauguins Geburt und wurde nur 41 Jahre alt. Gauguin wurde auch nicht älter als 53.
Beide waren ungewöhnlich freie und unabhängige Persönlichkeiten, die auf ganz unterschiedliche Weise gegen die Konventionen rebellierten und mit unglaublicher Energie für ihre Träume kämpften. Wahrscheinlich haben das beide mit ihrem frühen Tod bezahlt. Die Biographien der beiden klingen unglaublich. Hätte Vargas Llosa sie erfunden, würde man wohl denken, solche Lebensläufe sind eher unwahrscheinlich und ein bisschen dick aufgetragen.
Wer würde glauben, dass ein sehr beflissener, erfolgreicher Börsenmakler, der mit Frau und Kindern im Wohlstand lebt, sich fast ohne Vorwarnung zum besessenen und fast mittellosen Maler und Bildhauer wandelt, der mit seiner Kunst bis zu seinem Lebensende als Wilder unter Wilden leben wollte und das auch konsequent umgesetzt hat. Und das obwohl er zuvor keinerlei Ambitionen zum Künstlerischen gezeigt haben soll, sich nicht die Bohne für Galerien und Museen interessiert hat.
Und wie Flora Tristan mit ihren Kindern jahrelang um die halbe Welt geflüchtet ist, um ihrem hasserfüllten Ehemann zu entkommen, und trotzdem später die Kraft fand, sich unermüdlich für eine Arbeiterunion und für Frauen einzusetzen und sich dabei auch allein in die elendesten Ecken der Industriestädte traute, um sich ein klares Bild der Lage machen zu können, all das liest sich atemberaubend. Sie tat dies übrigens mit einer (operativ nicht zu entfernenden) Kugel im Leib, die ihr der gewalttätige Ehemann verpasste. Zuvor hatte er schon mehrmals seine Kinder entführt und seine Tochter sexuell missbraucht, was ihm vor Gericht nie zum Nachteil gereichte. Eher beanstandeten die Gerichte den Ungehorsam seiner Frau. Erst der Mordanschlag brachte ihn endgültig ins Gefängnis.
Man bekommt am Rande auch einen Eindruck über gesellschaftliche Verhältnisse in Europa (und Peru), die damalige Kunst und die sozialen Bewegungen. Ein tolles Buch!