(...) von Paulo Coelho - Der Alchimist.
Ich habe es damals in eines eher schwierigen Lebensabschnitt gelesen und es hat mich sehr fasziniert und mir wieder Mut gegeben!
In schwierigen Lebensabschnitten brauche ich auch immer Bücher. Es kommt dann aber weniger auf den Inhalt an (der ist natürlich nicht völlig unwichtig) als auf den Ton, die Sprache. Habe mal in einer Firma gearbeitet, in der fürchterlich gemobbt wurde. Da habe ich jeden Morgen vor der Arbeit eine bestimmte CD der Indigo Girls gehört und in einem Buch mit Geschichten gelesen, die wohl orientalischen Märchen nachempfunden waren, das weiß ich gar nicht mehr richtig. Jedenfalls hatten sie den für mich in dieser Situation richtigen Klang: poetisch, freundlich, lebensfroh. So gerüstet konnte ich dann den Tag in einer gar nicht freundlichen Umgebung halbwegs überstehen. Jedenfalls eine Zeitlang.
Mit Belletristik tu ich mich echt schwer. Ich probiere es immer wieder, gebe aber meist schnell wieder auf, und oft eben weil der Klang für mich nicht stimmt. Zum Beispiel habe ich mal mit einem Roman begonnen (Titel und Autor fällt mir mal wieder gerade nicht ein), der überall super besprochen wurde, weil er so großartig und dabei auch noch humorvoll sein sollte. Kann ich also nichts falsch machen, dachte ich. Aber dann ging mir das Originelle daran nach den ersten Seiten nur noch auf den Geist. Wenn einer unbedingt witzig und ungewöhnlich formulieren muss und ihm das auch in jedem dritten Satz brilliant gelingt, dann nimmt das ja nicht unbedingt für die erzählte Geschichte ein, mich jedenfalls nicht. Ich fühlte mich eher belästigt und beim Lesen der Geschichte gestört. Der Autor war mir einfach zu eitel und streberhaft, glaube ich.
Vielleicht mag ich daher meist eher lakonische, und sogar recht minimalistische Erzähler, und konnte mich daher z.B. erwärmen für:
Natalia Ginzburg: z. B.
"Familienlexikon". Das Portrait ihrer Familie im italienischen Turin der 30er- und 40er-Jahre. Sie sind ein bisschen verschroben, die beschriebenen Menschen und ihre Beziehungen untereinander. Habe das Buch oft leicht erstaunt gelesen und sogar irgendwie erhellend und lehrreich für mein eigenes Leben gefunden.
Franka Potente: "Zehn". Müsste ich eigentlich nochmal lesen, denn die zehn Kurzgeschichten haben sich schon fast wieder aus meiner Erinnerung geschlichen. In diesem Fall ist das aber auch im Wesen dieser Texte begründet und liegt nicht nur an meinem miesen Gedächtnis. Das heißt aber nicht, dass das hier oberflächliche Geschichtchen sind. Es sind einfach erzählte nicht sehr spektakuläre Begebenheiten im Leben einiger Japaner. Man erfährt was über den Alltag in Japan, aber bemerkenswert ist der Blick auf diese Begebenheiten und die Art wie Potente sie erzählt. Das ist nämlich echt gut. Es könnte sein, dass sie mit ihrem Ton ziemlich genau das trifft, was man im Zen mit Freundlichkeit meint und was nicht identisch ist mit Freundlichkeit, wie sie im westlichen Denken verstanden wird. - Man kann es sich von einem Reclam-Bändchen genauer erklären lassen, nämlich von Byung-Chul Hans "Philosophie des Zen-Buddhismus" - Jedenfalls hat unsere Auffassung von Freundlichkeit eine gewisse Identifikation mit dem Objekt der Freundlichkeit als Voraussetzung. Wir müssen uns selbst als Person ein bisschen in dem anderen spiegeln können, um diese Emotion hervorbringen zu können. Im Zen ist das nicht so. Es geht da mehr um eine offene Haltung, die eher von den eigenen Emotionen absieht. Naja, so hab' ich das verstanden.
Ist Franka Potente eigentlich noch allen hier als Schauspielerin präsent? Sie war unter anderem die Lola in Tom Tykwers "Lola rennt".
Denis Johnson: "Train Dreams". Novelle über einen Tagelöhner zu Beginn des 20sten Jahrhunderts im nordamerikanischen Idaho. Widrige Lebensumstände, Schicksalsschläge, der Einzug der Technik in die rauhe Natur, der alles verändert, und mittendrin dieser Robert Grainier, der das alles so hinnimmt und der auch nur zufällig darum herumkommt, nicht an einem Mord mitschuldig zu werden (passiert gleich am Anfang der Novelle). Ich fand's faszinierend.
Vor mehreren Jahrzehnten habe ich mal "Quo Vadis" gelesen. (...) Konnte es einfach nicht mehr weglegen. (...) Ich trau mich auch gar nicht, es nochmal zu lesen, aus Angst vor einer Enttäuschung.
Vor einiger Zeit habe ich angefangen (naja, im Moment tue ich das gerade nicht mehr), Jugendbücher wiederzulesen. Eine große Enttäuschung war "Fünf Freunde geraten in Schwierigkeiten" von Enid Blyton - das war der "Quo vadis"-Effekt: Als Kind war ich total gefesselt, inzwischen finde ich das Buch zum Gähnen. Manche anderen Jugendbücher fand ich aber aus etwas anderer Perspektive jetzt auch wieder gut.
Den "Quo vadis"-Effekt hatte ich mit meinen paar Karl-May-Büchern, die ich wie einen Kindheitsschatz jahrzehntelang aufbewahrt habe. Erinnere mich, dass ich mich als Kind immer erst einlesen musste, weil ich die ganzen Naturschilderungen und Personenbeschreibungen nie von Anfang an fesselnd fand, aber nach einer Weile war ich dann immer sehr drin in dieser Welt und im Ton der Erzählung. Vor einiger Zeit musste ich mich aber rigoros von Dingen trennen. Also habe ich doch mal einen Blick in meinen Winnetou geworfen und auf einmal gefiel mir die Sprache überhaupt nicht mehr. Pathetisch, kitschig. Echt nicht schön. Habe die Bücher dann leichteren Herzens weggegeben. Inzwischen denke ich wieder, naja, eins vielleicht hätte ich doch behalten...