Man kann es sich auch schwerer machen als nötig, womit ich KIM recht geben muss. Es gibt da einen Bestseller der "Eltern Verunsicherungsliteratur", der heisst "Jedes Kind kann schlafen lernen." Und fast alle Eltern, die irgendwann einmal das Stadium erreicht haben, dass ihre Mikros einfach abends nicht mehr ins Bett wollen und denen allabendlich nach Diewändhochgehen oder spontaner, ausgeprägter Kindesmißhandlung ist, haben hierin schon nach dem rettenden Geheimrezept gesucht. Und ich gestehe, ja das haben auch wir. Wie viele Eltern, haben auch wir ein ganz normales Kind, dass eben auch ganz normal nervt. Und kurz: Hier zeigte sich, dass unsere liebe Kleine ab dem Abend wieder ganz lieb ins Bett ging, nachdem wir aufhörten jeden Firlefanz, der im Buch stand auszuprobieren!
Das Buch, über das ich im Thread der Floppse sprach, soll einen ganz anderen Anspruch erfüllen.
Am Besten geb ich Euch hier mal das bereits fertiggestellte Vorwort, nur damit klar ist, worum es eigentlich gehen soll. Denn es ist weder ein Lehrbuch noch ein Ratgeber oder gar eine "Bedienungsanleitung". Es soll nur Einblicke verschaffen, das Verstehen fördern:
Achtung, ist noch etwas lang...
Vorwort
In dem Jahr, als unsere einzige Tochter Nina 3 Jahre alt wurde, überschlugen sich für uns die Ereignisse. Natürlich hatten wir sie bereits kurz nach der Geburt zum Kindergarten angemeldet. Kindertagesstätte heißt es ja richtig. Aber, das vergisst man auch mal über die lange Zeit. Als der Anruf kam, dass wir sie bereits in genau diesem Sommer dorthin geben dürften, machte sich in mir erst mal ein ziemlich dumpfes und hohles Gefühl in der Brust breit. Im Gegensatz zu vielen anderen Familien hatten sich die Umstände bei uns so ergeben, dass meine Frau weiter zur Arbeit ging und ich als „Hausmann“ zuhause blieb. Ich hatte seit Ninas Geburt irgendwie jede Minute mit ihr gemeinsam verbracht. Plötzlich war sie von gestern auf heute von meinem Baby zum Kindergartenkind geworden.
Ich muss Ihnen hier etwas gestehen: Ich habe damals noch versucht ein bisschen zu mogeln, indem ich vorsichtig fragte, ob ich Nina nicht auch ein Jahr später vielleicht, möglicherweise, eventuell? Na ja, es hatte alles keinen Zweck. Das Kind freute sich auf die KiTa wie auf den Weihnachtsmann und Papa war immer ein bisschen nach Heulen zumute, aber das tun Papas ja bekanntlich nicht. Schon die ersten Tage zeigten aber: Es war einfach toll! Das Kind war begeistert, bekleckert, beschmiert, bemalt und Nina strahlt noch heute, wenn sie an den Kindergarten denkt. Ich fand es erst ziemlich ungewohnt. Die freie Zeit am Vormittag, immer in der Nähe des Telefons, nur zur Sicherheit, falls was ist. Aber nach und nach fing ich an, die Zeit für mich zu nutzen. Ich arbeitete, schrieb, machte den Haushalt, den Einkauf und das alles ohne Kind.
Jetzt kommt das zweite Geständnis: Das tat mir gut! Nach drei Jahren hatte ich jetzt wieder Zeit für mich. Einen ganzen halben Tag lang. Natürlich hatte ich ab und zu auch mal ein schlechtes Gewissen. Hatte ich mein Kind aus reinem Eigennutz abgeschoben? Nö. Oder doch? Irgendwie beides, dachte ich. Eines Tages bemerkte ich aber, dass sich Nina schon innerhalb der ersten Kindergartenwochen ganz auffällig weiter entwickelte: Sie sprach schon vorher gut, hatte jetzt aber auch ein paar Worte aufgeschnappt, die sie von mir nicht kannte. Sie können sich vorstellen, wie ich staunte, als der Zwerg mich eines Mittags beim Abholen aus der KiTa mit „Hallo, du alte Pupskanone“ begrüßte. Dazu kam, dass sie erheblich mehr malte und bastelte als zuvor. Sie malte jetzt auch Menschen, die nicht nur aus Kopf und Beinen bestanden, sondern auch die dazugehörigen Körper besaßen. Sie malte auch viele andere Dinge, die ich irgendwie gar nicht erkennen konnte, aber zu jedem Kunstwerk hatte sie eine phantastische Geschichte auf Lager. Es kamen noch ein paar andere Dinge hinzu. Im Wesentlichen konnte ich aber beobachten, dass meine Tochter immer mehr Dinge aus dem Kindergarten mitbrachte. Haufenweise Bilder und Bastelwerke logischerweise aber auch neue Fähigkeiten, die sie dort erwarb, ausbaute und zuletzt verfeinerte. Sie fand Freundinnen, mit denen sie sich nachmittags verabredete und erzählte gleichzeitig von Streitigkeiten mit anderen Kindern. Alles in Allem hatte ich das Gefühl, dass die Kindertagesstätte wesentlich mehr tat, als nur mein Kind zu hüten. Ich begann mich dafür zu interessieren. Im zweiten Kindergartenjahr unserer Tochter ließ ich mich in die Elternvertretung wählen und beobachtete die Sache weiter. Probleme, Sorgen und Anregungen anderer Eltern, machten mich aufmerksam auf die Methoden, mit denen das KiTa Team an den pädagogischen Alltag in der Kindertagesstätte heran ging.
Ich bin nur ein Vater und kein Pädagoge. Deshalb musste ich viele Fragen stellen und erhielt ebenso viele Antworten. Einige verstand ich, andere wieder nicht. Warum sollte ich nicht anfangen, meinem Kind das Stillsitzen bei zu bringen? Immerhin sollte es ja später mal in die Schule gehen und da muss man ja bekanntlich still sitzen. Warum sollte ich ihr nicht helfen und ihr knifflige Aufgaben abnehmen oder sie vor der scharfen Schere schützen? Ich fand das alles manchmal schwer zu verstehen Dann stellte ich etwas ganz erstaunliches fest: Ich war da nicht der einzige! Manch andere Mütter oder Väter mussten sich auch mal sagen lassen, dass sie ihr Kind nicht morgens auf einen Stuhl setzen sollten, ihm Papier und Bundstifte vor die Nase legen und es mit den Worten: „Jetzt mal einen schönen roten Luftballon für die Mama.“ verabschieden sollten. Weiterhin merkte ich, dass viele Eltern das Treiben in der KiTa sehr interessiert und kritisch beobachteten, so wie ich. Es kamen immer wieder Vorschläge, den KiTa Alltag zu verbessern: „Man sollte mehr basteln. Die Kinder sollten auch mal das Stillsitzen lernen, oder zu tun, wozu sie eigentlich gar keine Lust haben. Sie müssten öfter in den Wald gehen und die Natur kennen lernen.“ So gab es viele gut gemeine Ideen, die manchmal angenommen wurden und manchmal nicht.
Das Schlüsselereignis war für mich allerdings, dass Nina eines Tages plötzlich im Garten hinter mir stand und sich selbst die Schuhe zugeschnürt hatte. Das ist sicher nichts Weltbewegendes. Sie müssen aber wissen, dass ich diese Sache schon lange vor mich hergeschoben hatte. Das lästige „Schleifeüben“ stand ziemlich weit oben auf meiner Liste der Sachen, „die ich dringend mal erledigen sollte“ und die ich dann aus Bequemlichkeit einfach immer wieder aufschob. Nun konnte das Kind Schleifen binden, einfach so. Begeistert fragte ich sie, ob sie es im Kindergarten gelernt habe. „Nein“ sagte Nina. „Das hab ich mir ganz alleine beigebracht.“ In der KiTa bestätigte man mir das. Niemand hatte dort mit ihr geübt. Sie hatte es einfach so lange ausprobiert, bis es klappte.
Jetzt dämmerte mir langsam, wie wertvoll jeder einzelne Tag in der KiTa für Nina wirklich war. Sie entwickelte Fähigkeiten und nutzte Freiräume zur Entwicklung.
Aber wie machten die das?
An einem Elternabend dann, es war bereits Anfang des dritten Jahres für Nina in der KiTa, präsentierten die Erzieherinnen des KiTa Teams dann eine sehr gelungene Moderation, in der sie ihre tägliche, praktisch-pädagogische Arbeit in der KiTa erklärten. Wir Eltern saßen hier keinen studierten Wissenschaftlern gegenüber, die uns mit Fachchinesisch an einem Abend zu erklären versuchten, was sie jahrelang studiert hatten. Diese Erzieherinnen waren einfach Menschen, die ihren Beruf gelernt hatten und mitten im Leben, Tag für Tag, die Aufgaben meistern mussten, die sich ihnen in der KiTa stellten. Für viele Eltern war das ein echter Einblick in diese Arbeit und ein gutes Stück weiter auf ihrer Entdeckungsreise zu den Geheimnissen der kindlichen Entwicklung im Vorschulalter.
Gemeinsam mit dem KiTa Team entschieden wir dann, dieses kleine Buch heraus zu geben, das Ihnen die gleichen wertvollen Erfahrungen aus der Praxis und dem Alltag der KiTa bringen soll.
Und so wünschen wir Ihnen viele neue Einblicke und Eindrücke von „Hinter den Kulissen“ und das gleiche „Aha-Erlebnis“, das ich damals hatte.
Ich könnte jetzt noch weiter ausholen und tief in den Inhalt einsteigen. Muss gar nicht sein. Unsere Zielgruppe sind einfach interessierte Eltern, deren Kinder zunächst einmal unsere KiTa besuchen. Wer weiß, vielleicht ineterssiert es ja auch andere. Wir lassen das auf uns zukommen. Die Arbeit an dem Buch macht jedenfalls schon Spaß und man lernt echt eine ganze Menge auch über sich und sein Kind.
Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von »Paarolando« (21. November 2003, 20:11)