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Paarolando

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Donnerstag, 4. Dezember 2003, 17:54

Im Bann des WuTan 2

Für DaGerri:
Im Bann des WuTan.
Autor: M. Majandi
(PS: Die Rechtschreibung wird gelegentlich zwischendurch überprüft und korrigiert.)

1. Kapitel
Ausgerechnet das einzige Mädchen in der Horde spielender Kinder entdeckte die Münze als Erste. Zunächst hatte sie nur etwas am Rand ihres Blickfeldes aufblitzen sehen, einen Schimmer, wie ein Lichtreflex der Sonne auf einem glatten Gegenstand, sonst nichts. Und sie hätte es auch nicht weiter beachtet, wenn sie es nicht auch noch einzweites Mal gesehen hätte, diesmal direkt vor ihrer Nase. Und zwar ziemlich genau einen Daumen breit davor, als sie nämlich der Länge nach in den grauen Staub der schmutzigen Straße viel, in der die Kinder fangen spielten. Die meisten Jungen waren älter als Sarilia und wenn sie dran war, erwischte sie meistens nur einen der kleineren Jungen. Wenn aber einer der großen an der Reihe war, konnte es auch schon mal passieren, dass das zartgebaute, ja fast schmächtige Mädchen von einer derben Jungenhand von den eigenen Füßen gefegt wurde. So, wie jetzt. Sarilia machte das nichts aus. Sie stand normalerweise einfach wieder auf, wischte sich mit dem staubigen Ärmel über das Gesicht und setzte ihrerseits zur Hatz auf die Jungen an. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum die Jungen aus der Straße sie überhaupt mitspielen ließen. Viel Zeit zum Spielen gab es sowieso nicht. In einer Stadt wie dieser, in einem Land wie diesem, mussten die Kinder stets von früh bis spät irgendeine, meistens sehr harte und schwere Arbeit verrichten. Vor allem die Jungen. Fast alle Männer befanden sich seit Jahren in irgendeinem Krieg in irgendeinem Land gegen irgendeinen Feind. Sarilia und die Jungen hatten natürlich gar keine Ahnung worum es in diesen Kriegen ging, fest stand nur, dass sie gemeinsam mit den anderen Kindern, den Frauen, den Alten und den Krüppeln die einzigen Arbeitskräfte waren, die es gab und deshalb arbeiteten sie. Als Träger, Bauarbeiter, Gärtner, Kohlenlieferant und vieles mehr. Die meisten Mädchen nähten Kleidung und Uniformen, bauten Obst und Gemüse an, halfen den Frauen bei der Kinderbetreuung, wuschen Wäsche oder machten sich sonst wie nützlich. In der Mittagshitze allerdings arbeitete niemand und so nutzten die unermüdlichen Kinder die Zeit fürs Spielen und so entdeckte ausgerechnet Sarilia die Münze, die nicht nur ihr Leben verändern sollte, sondern dass einer ganzen Generation von Gaseldrianern.

2. Kapitel
Der Erk war natürlich genauso dumm, wie man es von einem seines Volkes erwarten durfte. Er trug nur einen Lendenschurz als Kleidung, stank erbärmlich und hieß, wie alle männlichen Vertreter der Höhlenerks eben Erk. Die Erks sahen keinen Sinn darin, sich unterschiedliche Namen zu geben. Männer waren Erks und Frauen waren Anerks. Das reichte ihnen. Dazu sahen alle Erks und Anerks für jeden aus einer anderen Rasse ziemlich gleich aus und waren kaum zu unterscheiden. Anders, als in anderen Rassen waren bei ihnen die Frauen etwas größer und muskulöser als die Männchen. Sie führten auch die Clans an und handelten mit anderen Rassen. Ihre Männer behandelten sie im Wesentlichen wie Ware. Sie kauften und verkauften die Erks untereinander, Erk hieß in ihrer Sprache so viel wie „Begatter“, und als Sklaven an andere. So war dieser Erk auch in die Dienste eines bestimmten Vertreters einer anderen Rasse gekommen. Erks waren verhältnismäßig massig, hatten kurze kräftige Beine und lange muskulöse Arme, die in gewaltigen Pranken mit nur drei Fingern und einem Daumen endeten und deren Knöchel zuweilen auf dem Boden schleiften. Sie hatten breite halslose Köpfe auf noch breiteren Schultern. Ihre Oberkörper erinnerten an riesige Holzfässer und den buckligen Rücken zierten zahlreiche Beulen und Narben. Wie seine Verwandten trug auch dieser Erk als Erkennungszeichen und als Symbol seiner Sklaverei die Ketten. Er war nicht etwa in Ketten gelegt, oder gefesselt. Vielmehr zierten sie seinen grobschlächtigen Körper an den unterschiedlichsten stellen. Sie waren beispielsweise am Maul des Ungetüms einfach durch das weiche Fleisch der Lefzen getrieben worden, verbanden die großen durchstoßenen Brustwarzen und ließen die kleinen Ohren unnatürlich lang aussehen, da ihr bloßes Gewicht die Ohrmuscheln in die Länge zog. Wenn ein Erk sich bewegte, rasselten die Ketten in einem fort, was seinen Besitzern, die ihm nie ganz über den Weg trauten, ankündigte, wenn er sich näherte. Erks neigten dazu, ihre Sklaverei durch einen kurz ausgeführten aber heftigen Schlag auf den Kopf ihres Besitzers selbst zu beenden, wenn sie sich schlecht behandelt fühlten. Sie gingen dann oft zu ihrem Volk zurück und ließen sich einfach neu verkaufen. Für die meisten Besitzer endete eine solche „Befreiung“ freilich tödlich.

Dieser Erk war außer sich, allerdings nicht vor Wut sondern vor Freude. „Meichter!“ rief er durch die dunklen Gänge des Höhlengewölbes. „Meichter! Ech ich, wie Ihr ech vorauchgechehen hattet! Allech ich eingetreten, wie ihr ech profetcheitet. Meichter, oh.“ Erk viel auf die Knie und seine Ketten rasselten noch ein wenig mehr, als er sich vor Bewunderung und Unterwürfigkeit vor seinem Meister im Dreck wandt, wie ein Wurm. WuTan, sein Meister, sah ihn nicht einmal an, sondern starrte auf die grünlich schimmernde Wolke, die vor ihm in der Luft zu schwebte. Sollte das, was er dort sah, sein Inneres auch nur im Geringsten berührt haben, so blieb es dort. Einzig seine pechschwarzen Augen schienen eine Spur mehr Glanz zu besitzen, als noch vor einigen Augenblicken. Sein langes strähniges Haar fiel ihm über beide Schultern und rahmte so sein fast totenbleiches, hageres Gesicht ein. Seine spitzen Gesichtszüge erinnerten an das Gesicht eines Habichts. Die dünne spitze Nase ragte über das spitzbärtige Kinn hinaus. Der Mund, nur ein dünner Strich im Gesicht bewegte sich nicht einen Millimeter als er sprach: „In der Tat,“ tönte seine Stimme nicht all zu laut aber gut hörbar durch die Höhle und hallte an dessen Wänden wieder. „In der Tat. Es ist ein Kind. Wohlgeraten. Doch es ist kein Knabe.“ WuTan sprach wohl mit sich selbst, denn Erk war inzwischen aufgestanden und hatte damit begonnen, an einem faustgroßen Stein zu nagen. Steinsplitter flogen ihm um die Ohren und er konzentrierte sich nicht weiter auf das, was in der Wolke zu sehen war sondern betrachtete zwei rattengroße Giftsalamander in einem großen Käfig und war gespannt, welcher von beiden überleben würde. Aus dem Toten würden dann zwei neue Salamander schlüpfen. Aber noch war alles ruhig. Die beiden Geschöpfe starrten sich nur an und bewegten nichts außer ihrer langen giftigen Zungen, mit der sie die Witterung des jeweils anderen aufnahmen, denn es waren Tiere der Dunkelheit, die mit ihren Augen nicht viel anfangen konnten. WuTan betrachtete noch immer die Szene in der grünlichen Wolke. Das Mädchen lag mit dem Gesicht im Dreck genau vor ihm und streckte gerade die Hand nach ihm aus, da verfinsterte sich die Szene. WuTan bewegte sich nicht, doch plötzlich kam das Mädchen zurück und blickte einem anderen Kind nach, dass vor schmerzen humpelnd das Weite suchte. „So,“ hörte man seine Stimme und der Erk drehte sich beiläufig nach seinem Herrn um. „Mein Plan funktioniert ja fast perfekt. Schade, dass es nur ein Mädchen ist. Aber wer weiß? Vielleicht wird mein Triumph dadurch nur noch größer.“ Ein unglaublich hässliches und schmutziges Lachen erfüllte die ganze Höhle und hallte schallend von allen Wänden wider, obwohl WuTan sich noch immer nicht einen Deut weit bewegte. Erk verzog das Gesicht zu einem Grinsen und steckte einen seiner dicken Zeigefinger durch die Stäbe in den Salamanderkäfig. Das ihm am nächsten sitzende Tier warf sich blitzschnell herum und stürzte sich darauf. Aber genau in dem Moment, als seine messerscharfen Zähne durch die graue lederartige Haut des Erk drangen und sich in das Fleisch gruben, schlug das andere Tier zu und zeriss dem ersten den Hals. Erk zog seinen blutenden Fimger aus dem Käfig und steckte ihn in sein riesiges Maul und machte ein merkwürdiges glucksendes Geräusch, das seine Art wohl für ein Lachen hielt.

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DaGerri

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Freitag, 5. Dezember 2003, 10:03

RE: Im Bann des WuTan 2

Wenn es dir nichts ausmacht zeichne ich 1-3 Bilder zu dieser Geschichte, im selben Stiel wie das erste...boa! Bei mir sprudeln schon die Ideen, die Bilder seh' ich sogar schon vor meinem innreren Auge!
-es juckt schon in den Fingern!!-

:D
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Paarolando

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Freitag, 5. Dezember 2003, 10:25

RE: Im Bann des WuTan 2

Na wenn das nicht die idealen Voraussetzungen sind ... :]
Schön, dass Dich der Text inspiriert. Ich schreibe gelegentlich daran weiter. Bin im Moment aber krank und lege mich erstmal wieder hin.

Bin gespannt auf Deine Zeichnungen. :))

DaGerri

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Freitag, 5. Dezember 2003, 12:16

RE: Im Bann des WuTan 2

...ich auch!!!...
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Freitag, 5. Dezember 2003, 21:55

RE: Im Bann des WuTan 2

Na denn. Es ist gar nicht leicht, Kapitel so kurz zu halten. :( :]

3. Kapitel
Das Letzte, woran Sarilia sich erinnerte, war, dass der Junge, der die Münze gleich nach ihr entdeckte, jaulend aufschrie und davon humpelte. Er hatte noch bevor Sarilia nach der Münze greifen konnte, seinen nackten Fuß daraufgestellt, damit niemand sie erreichen konnte, doch das triumphierende Grinsen war augenblicklich von seinem Gesicht verschwunden, als er im nächsten Moment aufschrie und seinen Fuß empor riss, als wäre er hinein gebissen worden. Ohne zu überlegen hatte Sarilia nach dem glänzenden Metall gegriffen. Und nun war alles dunkel und still um sie herum. Die Kinder, die Straße, die Sonne, die Hitze, der Staub, alles war verschwunden. Nur die Münze lag schwer und kühl in ihrer Handfläche. Sarilia klammerte sich geradezu daran fest und spürte, wie sich der Rand des runden Metalls in ihre Handfläche drückte. Alles, was sie hörte war das eintönige Platschen vereinzelter Wassertropfen, die scheinbar aus großer Höhe herabfielen und bei der Landung auf hartem Fels zerstoben. Ängstlich setzte sie sich ein wenig auf. Auch sie saß auf hartem kaltem, feuchtem Stein und da sie gerade noch in der prallen Mittagshitze gespielt hatte, begann sie augenblicklich jämmerlich zu frieren. Sie zog ihre nackten Füße unter ihr zerlumptes Gewandt und versuchte die Arme durch Reiben zu erwärmen. Es half nichts. Einen Augenblick lang stieg ihr ein merkwürdiges Gefühl den Hals hinauf und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Doch dann besann sie sich und schluckte das Weinen hinunter so, wie sie es schon viele Male getan hatte, wenn die Jungen sie traktierten, die Mutter sie schlug oder ihre schwieligen Finger bluteten von der vielen Arbeit mit Nadel und Leder. Sarilia arbeitete in der Lederstube der Kürschnerin und schnitt das Leder für Schuhe zurecht. Sie kannte niemanden, der sich solche Schuhe leisten konnte und fragte sich oft, für wen sie es eigentlich tat. Seltsamerweise erfüllte sie dieser Gedanke gerade in diesem Moment mit einem anderen kleinen Gefühl und sie musste sogar ein wenig kichern. Erschrocken bemerkte sie, dass ihre Stimme ein Echo hervorrief. Eine Höhle, dachte sie. Es muss eine Höhle sein oder ein riesiger Raum in einem noch riesigeren Haus ohne Fenster. Doch der Boden fühlte sich nicht eben an. Er war rau und viel zu einer Seite leicht schräg ab. Die Jungen und sie hatten einmal in der Nähe einer alten Entwässerungsanlage gespielt. Die Kanalisation funktionierte schon viele Jahre nicht mehr, war aber ein toller Spielplatz für die Kinder. Im Innern war es ganz ähnlich wie hier. Kühl, feucht und hart. Und ein Echo gab es auch. Nur dies war viel viel größer. Sarilia versuchte sich schwanken auf zu richten und tastete sich blind vor, allerdings ließ sie die Münze keinen Augenblick aus der Hand. Nach etwa 10 Schritten erreichte sie eine Wand und tastete sich daran entlang. Es schien eine Ewigkeit zu dauern und die Wand machte ein paar recht plötzliche Biegungen, aber Sarilia blieb stur und behielt sie zur Rechten. So tastete sie sich durch die Dunkelheit.

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DaGerri

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Montag, 8. Dezember 2003, 19:39

RE: Im Bann des WuTan 2

The Erk
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Montag, 8. Dezember 2003, 20:02

RE: Im Bann des WuTan 2

GENAU !! :D :D :D

Paarolando

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8

Sonntag, 14. Dezember 2003, 20:36

RE: Im Bann des WuTan 2

Weiter gehts:
Immer daran denken: Das ist eine Kurzgeschichte. Deswegen werden viele Hintergründe vorweggenommen. Ansonsten wäre der Stoff selbst, glaube ich, auch schon ausreichend für einen ausgewachsenen Roman.

Also:
4. Kapitel
Nachdem der Erk immer noch glucksend und auf seinem Finger nuckelnd gegangen war, kehrte Ruhe in diesen Teil des Höhlensystems ein. WuTan stand noch immer vor der grünlich schimmernden Wolke, die wie plötzlich erstarrt vor ihm in Gesichtshöhe in der Luft hing. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen und er schien sich auf etwas ganz bestimmtes zu konzentrieren oder etwas Bestimmtes in der Wolke zu suchen. Und das tat er auch. Das Bild, das er gerade wieder hervorgeholt hatte, indem er der Münze durch einen Funken seiner nahezu unbegrenzten magischen Kraft etwas „Leben“ eingehaucht hatte, so dass der Straßenbengel seinen ungewaschenen Fuß von ihr wegriss, war ebenso plötzlich wieder verschwunden. Wahrscheinlich würde der Junge eine ziemlich hässliche Narbe unter dem Fuß zurückbehalten, aber das kümmerte WuTan nicht. Wäre der Junge selbst in Flammen aufgegangen und unter Qualen schreiend gestorben, hätte es ihm keinerlei Regung entlockt. Doch was er nun sah, beziehungsweise was er nun nicht sah, beunruhigte ihn zutiefst. Er versuchte es erneut und lud die Münze mit magischer Hitze auf, doch nichts geschah. Kein anderer Junge hatte den Versuch unternommen, die Münze an sich zu bringen. Also, musste die Münze von Schutt oder Erde begraben sein. Er versuchte sie zu heben, wie schon zuvor durch die Kraft der Magie aus dem Staub zu befreien und in das Blickfeld seiner Auserwählten zu bringen. Aber, warum sah er nichts?
Aus dem Salamanderkäfig hörte man ein leises aber emsiges Schmatzen und Gurgeln. Die beiden Jungen, die sich binnen kürzester Zeit aus dem Kadaver des Elterntieres befreit hatten, waren damit beschäftigt, seine sterblichen Überreste zu vertilgen, wobei sie sich dabei nicht mit dem anderen, überlebenden Alttier zu streiten brauchten. Dieses hatte sogleich den Kopf seines Gegners von dessen teilweise durchbissenem Hals gerissen und knackte nun mit den Zähnen, da es die Augen und das weiche Fleisch der Wangen und die Zunge vertilgt hatte, auf den Schädelknochen herum und schien damit zufrieden. Nicht jedoch, ohne die Jungtiere aus den Augen zu lassen.
Eigentlich sah WuTans Plan vor, die Münze einem Jungen unterzujubeln. Jung, stark, intelligent. Ein würdiger Nachfolger. Denn WuTan war alt. Sehr alt, auch für einen nahezu unsterblichen Magier. Schon mehr als 600 Jahre trugen ihn seine dünnen Beine durchs Leben. Durch das eigene und durch die vielen vielen Leben der anderen Menschen, die er über die Jahrhunderte geschunden, gequält und ausgebeutet hatte. Denn was auch immer die Menschen glaubten, wen auch immer sie für ihren jeweiligen Feind hielten, welchen Grund sie auch immer für gerechtfertigt hielten, sich gegenseitig zu bekriegen, so war ihr eigentlicher und einziger gemeinsamer Feind seit jeher immer nur dieser eine gewesen. WuTan. Doch dieser WuTan, der sich all die vielen Jahre vom Blut der Toten genährt, an den Schreien der Gefolterten ergötzt, die Tränen der Verzweifelten getrunken hatte und dessen gesamte Macht auf den gequälten Seelen der Menschheit beruhte. Dieser WuTan wurde alt. Es bereitete ihm immer größere Schwierigkeiten, die Seelen im Bann zu halten, genügend Energie aus ihnen zu schöpfen, um seine hinterhältigen Ränke über die Menschen zu spinnen, die in seinen Augen doch nur Vie auf einer Weide waren. Seiner Weide. Der Weide des bösen Gottes, für den er sich hielt.
Deshalb sollte ein Junge her. Als Lehrling in seine Dienste treten und am Ende sein Erbe sein. Der Erbe durch den WuTan selbst weiterleben würde, wenn ihre Seelen im Augenblick seines Todes verschmolzen.
Nicht einmal sich selbst gestand der greise Zauberer gern ein, dass es ihm vor diesem Augenblick wahrhaftig graute, denn er war unsicher. Unsicher, ob die Prozedur funktionieren würde, ob die Verschmelzung so viel seiner selbst würde retten können, dass ihm weiterhin bewusst sein würde, wer er war, was er war. WuTan wusste, dass er bereits viel zu lange gewartet hatte. Sein Schüler hätte inzwischen selbst das erste Jahrhundert vollendet haben müssen, mit über 80 Jahren des harten Studiums, doch immer hatte WuTan auch vor sich selbst eine neue Ausrede gefunden, das Unvermeidliche noch ein wenig hinaus zu zögern. Und auch jetzt hatte ihn eine unerklärliche Anwandlung von Furcht in seiner Brust, den Jungen verjagen und das Mädchen vorziehen lassen. Eine Verschmelzung kam mit einem Mädchen nicht im Betracht, wohl aber ein anderes, möglicherweise lebensverlängerndes Ritual: Die eheliche Vereinigung. WuTan musste heiraten, das war ihm jetzt klar. Er wusste es nicht genau, aber er war sich sicher, dass die Vereinigung mit einer Frau etwas Bedeutendes herbeiführen würde. In seiner ansonsten aber schon fast grenzenlosen Selbstherrlichkeit und der Überzeugung, nahezu unfehlbar zu sein, ging er natürlich davon aus, dass es nur zu seinem Besten wäre, was immer es war.
WuTan entspannte sich. Jetzt konnte er es sehen. Nicht direkt mit den Augen, aber er spürte es so deutlich, als würde er es sehen: Das Mädchen hatte die Münze. Sie muss sie ergriffen und in eine Tasche gesteckt haben. „Tapferes Ding“ dachte WuTan. „Trotz der Hitze behältst Du sie und wirfst sie nicht weg.“ Er nahm die Hitze zurück. Das Metall der Münze sollte nun schnell zu normaler Temeperatur zurückkehren. Nicht, dass es ihm etwas ausgemacht hätte, wenn Sarilia sich an der Münze verbrannt hätte. Aber er war leicht beeindruckt. Immerhin war sie nur ein Mädchen. Klein, ängstlich, schwach, - wie alle Mädchen – ein leichtes Opfer. Jetzt musste er das tapfere aber zweifelsfrei dumme Ding, nur noch finden und in die Höhle bringen. WuTan wandte sich von der grünlichen Wolke ab und sie zerfiel zu grünlich glitzerndem Staub, der lautlos zu Boden rieselte und dort zu einer flüssig wirkenden Pfütze zusammenfloss und über den steinernen Höhlenboden rann, bis sie in einer kleinen Felsspalte verschwand.
Die Salamanderkinder hatten sich inzwischen auf das verbleibende Muttertier gestürzt und es geräuschvoll getötet. Sie hatten jetzt jeder fast die Größe eines ausgewachsenen Tiers und aus dem toten Körper des zweiten Elterntiers wanden sich jetzt zwei weitere Jungsalamander, während das ältere Geschwister sich bereits gegenseitig belauerte. WuTan nahm davon nur am Rande Notiz und verließ diesen Teil der Höhle über einen höher gelegenen Gang, der mit seinem Verschwinden sofort in tiefe Dunkelheit fiel, wie der Rest des Gewölbes.

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Samstag, 27. Dezember 2003, 18:41

RE: Im Bann des WuTan 2

Sarilia, die kleine Heldin unserer Geschichte.
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  • sarilia2.gif

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Samstag, 27. Dezember 2003, 23:37

RE: Im Bann des WuTan 2

5. Kapitel
Als Sarilia die Stimme zum ersten Mal hörte, erschrak sie weniger darüber, eine Stimme zu hören, als darüber, dass sie ihr unerklärlich vertraut und bekannt vorkam. Sie duckte sich in der Dunkelheit rasch gegen die kalte Felswand und sank auf die Knie. Die Stimme war nur ein Flüstern, aber Sarilia konnte jedes Wort so deutlich verstehen, als stünde der Sprecher direkt neben ihr. Vielmehr war es die Sprecherin und die Stimme war auch nicht direkt neben ihr, sondern in ihr, in ihrem Kopf: „Hab keine Angst. Ich tue Dir nichts.“ Wiederholte sie gerade zum dritten oder vierten Male. Sarilia hatte sich jetzt soweit im Griff, dass sie der Stimme zumindest vorläufig Glauben schenken wollte, sagte es aber nicht. Trotzdem schien die Stimme verstanden zu haben. „Gut“ sagte sie. Es war ihre eigene Stimme, die sie hörte. Deshalb war sie ihr auch so bekannt vorgekommen. Aber es war nicht Sarilia die sprach es war: „Die Münze. Ich bin die Münze und da ich keine eigene Stimme habe, muss ich Deine benutzen, wenn ich mit Dir sprechen will. In Wahrheit ist das ganze natürlich viel komplizierter, da nämlich eigentlich Du es bist, die Deine Stimme zu hören glaubt, weil deinem Gehirn nichts anderes übrig bleibt, wenn ich mich Deines Sprachzentrums bedienen muss, um mit Dir zu reden, aber lassen wir das.“ Das dachte Sarilia auch gerade und flüsterte in die Dunkelheit „Warum redest Du überhaupt mit mir? Ich denke, Du bist eine Münze. Die reden nicht, so weit ich weiß.“ „Gewiss. Doch was Du in Händen hältst ist weit mehr als das. Ich bin sozusagen zwar nur das Bild einer gewissen natürlichen Machterscheinung, aber dass ich ausgerechnet als Münze in Erscheinung trete, hat einen tieferen Sinn, den Du noch ergründen wirst.“ „Ein Rätsel, toll.“ Dachte Sarilia. „Ich mag Rätsel, aber noch lieber würde ich jetzt aus dieser Höhle herauskommen und nach Hause gehen.“ Sie wollte die Münze fallen lassen. Mit einer sprechenden Münze konnte man sicher nicht gut einkaufen gehen, dachte sie, doch sie behielt sie in ihrer Faust. „Die Macht von der ich Spreche ist die Macht der Magie.“ Fuhr die Münze fort. Sie ist eine der gewaltigsten Mächte unserer Welt, aber auch eine der best gehütetsten Geheimnisse derer, die um die Magie bescheid wissen. „Und was hab ich damit zu tun? Ich habe keine Ahnung von der Zauberei.“ Sarilia verzichtete inzwischen auf das Flüstern, da die Münze ganz offensichtlich auch verstand, was sie dachte. „Nichts, wenn WuTan dich nicht auserwählt hätte.“ „Wer?“ „WuTan. Der mächtigste und älteste Zauberer dieses Teils der Welt. Der Herrscher über ganz Gaseldria.“ „Moment. Gaseldria kenne ich zufällig. Da wohne ich nämlich. In ganz Gaseldria gibt es nur 5 Staaten und keiner davon hat einen Herrscher mit Namen WuTan, geschweige denn, dass es einen Alleinherrscher über ganz Gaseldria gäbe. Die 4 Republiken haben gar keine Monarchen und nur Kaiserin Shonwei herrscht in Helmsin. Die ist eine Frau und ganz sicher keine Zauberin, schon gar keine mächtige.“ „Und doch ist es, wie ich es dir sage. WuTan ist seit Urzeiten der heimliche Herrscher über das Land Gaseldria. Er ist sein Schicksal, sein Leid, sein Verderben und sein Fortbestehen. Seiner Gnade unterliegt alles Lebende und manches Tote in ganz Gaseldria, denn er hat nahezu die volle Verfügung über die Macht der Magie.“ „Nahezu? Warum hat er sie nicht ganz?“ Sarilia hatte sich inzwischen wieder in Bewegung gesetzt und tastete sich weiter durch die Dunkelheit. „Noch etwa 20 Schritte, dann kannst Du die Wand loslassen und dich nach links wenden. Dort ist eine Speisekammer.“ Sagte die Münze, und Sarilia beschloss, sich einfach nicht darüber zu wundern, dass hier mitten in einer finsteren Höhle eine Speisekammer zu finden sein sollte. Sie ließ die Wand los und tatsächlich roch sie schon den Duft von eingelagerten Lebensmitteln und setzte Ihren Weg fort. Als sie die Speisekammer erreicht hatte, sprach die Münze erneut: „Heb Deine freie Hand in die Luft und zeichne eine Acht mit dem Finger in die Dunkelheit.“ Als Sarilia die Acht schwungvoll in die Luft zeichnete sprach die Münze leise durch ihren Mund: „Licht.“ Und in der kleinen Höhle, die als Speisekammer diente, breitete sich ein schwaches Licht aus, das aber ausreichte, um Sarilia einen Blick auf die prall gefüllte Kammer zu geben. Alle möglichen Sorten haltbarer Lebensmittel gab es hier: Käse, Wurst, Schinken und eine ganze Reihe von Konservendosen. Nur einen Öffner konnte sie nicht sehen. „Mach Dir keine Sorgen. Du kannst Licht machen, dann kriegst Du auch eine Dose auf.“ Meinte die Münze nur trocken. Sarilia hatte all ihre Fragen vergessen. Unter anderem auch die, wie und vor allem warum sie überhaupt in diese Höhle gekommen war, hier jetzt festsaß und sich mit einer Münze unterhielt. Sarilia hatte Hunger und hier gab es mehr als genug zu Essen. Also langte sie erst einmal kräftig zu und aß sich satt.

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Montag, 29. Dezember 2003, 18:17

RE: Im Bann des WuTan 2

6. Kapitel
Nach einer Weile begann die Münze ganz von allein, die Geschichte des WuTan zu erzählen. Von Anfang an. Ab und zu waren ihre Schilderungen seiner Untaten allerdings so bildhaft, dass Sarilia beinahe der Appetit vergangen wäre. Doch als sie sich satt gegessen hatte, war auch die Münze so gut wie am Ende der Erzählung angelangt. Sarilia vermutete zwar, dass es sich hierbei nur um das Wichtigste und bei weitem nicht um alles gehandelt hatte, was es um und über WuTan zu wissen gab, beschloss aber, den Rest auch gar nicht wissen zu wollen.

Sie dachte nach: „Die zwei Seiten der Münze. Mann und Frau. Licht und Schatten. Die Unvereinbarkeit der absoluten Gegensätze und ihre Einheit als Ganzes. Das ist es ja?“ fragte sie die Münze in Gedanken. Das Schweigen der Münze nahm sie als ein „Ja.“ Und überlegte weiter: „Wenn er nun eigentlich einen Jungen brauchte, um ihn als seinen Nachfolger, seine Reinkarnation auszubilden, nehme ich an, dass das mit einem Mädchen nicht geht. Warum hat er dann den Jungen verjagt und mir die Münze gelassen?“ Die Münze schwieg weiter. Sarilia schloss daraus, dass sie es wohl selbst herausfinden musste. Immerhin hatte ihr die Münze eröffnet, wie sie überhaupt hergekommen war und vor allem auch wo dieses „Hier“ war. Auf die Frage, ob sie nicht einfach genauso wieder verschwinden könnte, wie sie gekommen war, hatte die Münze ebenfalls geschwiegen und Sarilia nahm es diesmal als „Nein“. Sie war kein ängstliches Kind und sie hatte es oft bewiesen. Jetzt aber war ihr ernsthaft mulmig zumute. Sie überlegte: „Wenn er mich nicht zum Nachfolger machen kann, was will er dann von mir?“ da kam ihr eine Eingebung und laut stöhnte sie ein entsetztes „NEIN“, als sie glaubte zu begreifen: „Er, er will mich heiraten?“ Sie spürte ein leichtes Vibrieren der Münze und ihre Stimmung sank ihr noch tiefer als ihr Mut, da hörte sie ein Geräusch. Ohne zu überlegen wischte sie mit der hand durch die Luft und das Fahle Licht erlosch sofort, was sie ehrlich gesagt ein wenig überraschte. Aber dazu war nun keine Zeit. Sie schlich aus der Kammer und kauerte sich in eine Felsnische im gegenüberliegenden Gang. Ein Lichtschein tanzte den Gang hinunter und wenig später sah sie den Erk mit einer brennenden Fackel in der Hand den Gang hinunterkommen und mit rasselnden Ketten in die Speisekammer watscheln. Er sprach laut mit sich selbst: „Meichter icht ein grocher Chauberer. Jaaaaa. Dach ich er, aber schu echen kann er nix chaubern. Dach much Erk machen. Immer Erk. Mach diech Erk. Mach dach Erk. Ich doch ein Chauberer. Choll Erk cheinen Frieden lachen. Erk hat chon daran gedacht, ihn mal mit der Keule am Kopf chu kitcheln. Nur ein bichen, dach er umfällt. Am bechten tot, weil er ich ja ein chauberer, kann Erk chlimm verchaubern. Oh, oh, oh. Erk choll chowach nich denken. Lieber wach chu echen holen. Ja, ja.“ Sarilie hatte selbstverständlich noch nie im Leben einen lebenden Erk gesehen und im Fackelschein wirkte er mit seinen Ketten im Gesicht und am Körper natürlich noch fieser und furchteinflößender, als er ohnehinn schon gewesen wäre. Deshalb hielt sie die Luft an und versuchte auch nicht das leiseste Geräusch zu machen. Wenn sie gekonnt hätte, hätte sie sogar das Pochen ihres Herzens abschalten wollen, das ihr in den eigenen Ohren dröhnte, wie Paukenschläge. Doch der Erk war so in sein Selbstmitleid vertieft, dass er sie weder hörte noch roch noch bemerkte, dass die Speisekammer betreten und teilweise geplündert worden war. Er belud seine langen Arme mit einer gewissen Auswahl an Speisen und trottete wieder davon. Die Fackel ließ er zurück. Nach einer Weile, in der Sarilia sich vergewissert hatte, dass er nicht plötzlich wieder erscheinen würde, um die Fackel zu holen, huschte sie zurück in die Speisekammer, stopfte sich die Taschen ihres Überwurfs mit einh paar Kleinigkeiten voll, nahm die Fackel und setzte sich zunächst einmal wieder in die Richtung ab, aus der sie gekommen war, denn sie wollte dem Erk nicht gleich begegnen und schon gar nicht WuTan, Zauberer hin Zauberer her. Heiraten war eine ernste Sache, die überlegt angegangen werden wollte. Und nach den Schilderungen der Münze über ihren Zukünftigen, fand sie den Gedanken eher ernüchtend, als aufregend.

DaGerri

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12

Sonntag, 11. Januar 2004, 19:39

RE: Im Bann des WuTan 2

Oh, hab ja einiges Nach zu holen! :D Mach mich jetzt erstmal ans lesen...
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