Kims Comiczeichenkurs Forum

Gehe ich mal in die gleiche Falle wie mein Vorredner und versuche, nicht in die Diskussion einzusteigen, aber trotzdem was zu sagen:

Obwohl ich hardcore-Zwarwaldfan bin, meine ich, dass der Daily-Markt in der Tat überladen ist. Es muss schon ein wirklich reich gefülltes Leben, oder eine sehr eigene Weltsicht dasein, so einen Strip wirklich am Leben zu erhalten. Das "heute mal keine Pointe"-Prinzip war ja mal neu und hat mich damals auch begeistert, aber inwzischen ist es absolut ausgelutscht - inklusive seiner diversen Varianten, wie "Oh, war das schon der Strip?", "Sorry, heute fällt aus" o.ä.
Wer sich dazu berufen fühlt, soll es natürlich trotzdem wagen, denn man sieht ja immer wieder, was für schicke Sachen dabei herauskommen können (man bedenke die diversen guten "Doppeltim"-Strips, die ja echte Perlen enthalten), aber man sollte sich bloß nicht zu sehr darauf versteifen, wirklich täglich zu liefern. Manchmal fällt einem einfach nichts ein und dann ist es besser, man macht nichts, als irgendeinen Platzhalter zu bringen. - Einmal macht das überhaupt nichts, aber spätestens der dritte Platzhalter wirkt peinlich.

Bevor man mich falsch versteht: Damit beziehe ich mich auf keinen Daily speziell, sondern meine nur das Konzept im Allgemeinen!

Dann allerdings noch ein Satz von Stumpi, mit dem ich unglücklich bin:

"Diese plumpen Versuche, permanent durch Nonsens eine heile Welt vorgaukeln zu müssen, verfälschen eben das Weltbild vieler Menschen, die nicht in der Lage sind, diese Informationen "direkter" zu verarbeiten."

Das impliziert, wie ich es verstehe, dass unpolitische Kunst Missstände leugnet, bzw. hilft, diese zu verdrängen.
Ich sehe Kunst allerdings nicht unbedingt zweckgerichtet, wenn ich sage "Heute Mittag gibt es Bohnen." sage ich ja nicht, es gäbe keinen Krieg, oder keinen Hunger auf der Welt, sondern nur, dass es bei mir heute Bohnen gibt.
Ich würde daher rein postitive Werke nichtmal als Ablenkung, sondern einfach als anderen Teil der Realität sehen, der genauso sein Recht hat, gepflegt zu werden.

So nimmt ein Cartoon-Charakter, der auf einer Bananenschale ausrutscht ja nicht etwa den Platz weg, der einer Friedensbotschaft gebührt, sondern eröffnet sein eigenes Feld. Wenn die Kreativität eines Menschen in unpolitische Richtung geht, kann er sich nicht zwingen, die auf Obdachlosigkeit oder Wahlbetrug umzulenken.
Jemanden vorzuschlagen, statt eines Tagebuch-Comics lieber etwas gesellschaftskritisches zu machen, ist daher sinnlos. Hätte er das Potential dafür, hätte er es vermutlich selbst entdeckt, aber auf Verdacht in die Richtung loszeichnen, obwohl die Muse einen nicht dahin drängt, erscheint mir aussichtslos.

Zitat

Original von DMJ
"Diese plumpen Versuche, permanent durch Nonsens eine heile Welt vorgaukeln zu müssen, verfälschen eben das Weltbild vieler Menschen, die nicht in der Lage sind, diese Informationen "direkter" zu verarbeiten."

Das impliziert, wie ich es verstehe, dass unpolitische Kunst Missstände leugnet, bzw. hilft, diese zu verdrängen.
Ich sehe Kunst allerdings nicht unbedingt zweckgerichtet, wenn ich sage "Heute Mittag gibt es Bohnen." sage ich ja nicht, es gäbe keinen Krieg, oder keinen Hunger auf der Welt, sondern nur, dass es bei mir heute Bohnen gibt.
Ich würde daher rein postitive Werke nichtmal als Ablenkung, sondern einfach als anderen Teil der Realität sehen, der genauso sein Recht hat, gepflegt zu werden.

So nimmt ein Cartoon-Charakter, der auf einer Bananenschale ausrutscht ja nicht etwa den Platz weg, der einer Friedensbotschaft gebührt, sondern eröffnet sein eigenes Feld. Wenn die Kreativität eines Menschen in unpolitische Richtung geht, kann er sich nicht zwingen, die auf Obdachlosigkeit oder Wahlbetrug umzulenken.
Jemanden vorzuschlagen, statt eines Tagebuch-Comics lieber etwas gesellschaftskritisches zu machen, ist daher sinnlos. Hätte er das Potential dafür, hätte er es vermutlich selbst entdeckt, aber auf Verdacht in die Richtung loszeichnen, obwohl die Muse einen nicht dahin drängt, erscheint mir aussichtslos.

Danke DMJ, ich sehe auch hier den Fehler, bzw. den Fehler darin, nicht konkretisiert zu haben:
-Kunst dient dem Transport einer Aussage, richtig?
-Kunst spricht aus der Lebenswelt seines Erschaffers, erzählt davon was ihn bewegt und wichtig hält, richtig?
-Kunst soll dem Auge gefallen und dem Betrachter zu seiner psychischen Vervollkommnung dienen, richtig?
Sollte das ein Comic nicht auch? Comics sind schließlich Kunstwerke, dem verschließt sich keiner.
Seit dem es Kunst gibt, sind diese Aussagen zentral, angefangen mit steinzeitlichen Höhlenmalereien bis in die heutige Postmoderne. Jede Kunstepoche oder -stil findet in ihrer zeichnerischen Form eine eigene Sprache, doch inhaltlich folgt sie immer diesen Aussagen.

Ich postuliere nicht die These, das Dailies durchgehend Müll sind, weil sie Dailies sind.
Ich postuliere die These, dass so viele Comics, vorallem aber Dailies diese essentiellen Aussagen der Kunst nicht transportieren können...
Ich kritisiere nicht den Zeichner, der die Zusammenhänge der Weltpolitik, der Wirtschaft, der Geschichte oder sonstwelchem Métier aus seinen Comics ausblendet und viel trivialer vorgeht.
Aber in eine Trivia zu Verfallen, die keinerlei Aussage transportiert, ist der große Fehler der heutigen Comiczeichnerwelt.
Und unnötige Gefühlsbabelei, hochstilisierter Geschlechterirrsinn, tägliche Erlebnisse im Yogakurs etc etc. sind im Grunde frei jeder gutmenschlichen Aussage.

Da kann ich schon wieder viel mehr unterschreiben, lediglich unsere Kunstdefinitionen unterscheiden sich wohl:

Zitat

-Kunst dient dem Transport einer Aussage, richtig?
-Kunst spricht aus der Lebenswelt seines Erschaffers, erzählt davon was ihn bewegt und wichtig hält, richtig?
-Kunst soll dem Auge gefallen und dem Betrachter zu seiner psychischen Vervollkommnung dienen, richtig?

Ist in sich absolut stimmig und schlüssig, ich im Gegenzug habe gar keine wirkliche Definition, aber ich würde als Zweck/Funktion/Wasauchimmer der Kunst eigentlich nur "die Auslebung von Kreativität" sehen. Also in erster Linie für den Produzenten bestimmt.
Ob die Kunst dann auch was bringt, also auch einen Nutzen für den Konsumenten hat, ist eine zweite Frage. Sicherlich ist es ein Plus, wenn sie es tut, aber so weit, zu sagen, Kunst müsse eine Aussage haben, würde ich dennoch nicht gehen.

- Aber wie gesagt, da sind wir auf unkonkretem semi-philosophischem Gebiet. Würde wohl zu weit führen und Kopfschmerzen verursachen.

Deinem Fazit, dass momentan zu viele Comics in den reinen Nonsens verfallen, kann ich aber auch zustimmen - ich bin an und für sich absoluter Fan des Nonsens-Humors, allerdings in erster Linie, weil er sich vom "sinnvollen Humor" abhob. Inzwischen, wo er fast die Mehrheit ausmacht, ist er dabei sich zu überleben. Und gerade, wenn man keine persönliche Musentruppe auf der Schulter hat, zieht natürlich ein Daily so etwas ganz besonders an.

Das wir auf semi-philosophischem hügeligen Gebiet unterwegs sind, ist sehrwohl richtig. Aber dennoch wert gewesen zu diskutieren. Ich denke es hat uns alle bereichert mal unsere Gedankengänge zu dem Thema offenzulegen, deswegen danke an alle und sorry an hellish zum Mißbrauchen seines Threads.

Zitat

Original von Stumpi
Das wir auf semi-philosophischem hügeligen Gebiet unterwegs sind, ist sehrwohl richtig. Aber dennoch wert gewesen zu diskutieren. Ich denke es hat uns alle bereichert mal unsere Gedankengänge zu dem Thema offenzulegen, deswegen danke an alle und sorry an hellish zum Mißbrauchen seines Threads.

Auch da kann ich mich vollständig anschließen!

hehehe sehr gut. die diskussion ist im großen und ganzen sehr gut karikiert worden. merci dafür. dann hats ja doch etwas gebracht deinen thread körperlich zu missbrauchen. immerhin war es muse...

Noch besser wäre es, wenn man auf den ersten Blick erkennen würde, daß Gott in den Fernseher schaut...

Dazu bräuchte es ein wenig Pespektive. Der Fernseher wird zu Gott und Gott zum Fernseher hingedreht.